Solidarische Landwirtschaft

Bevor ich angefangen habe in der Biobäckerei zu arbeiten hatte ich einen Aushilfsjob in einer Gärtnerei. Die war zwar nicht als Biobetrieb zertifiziert, hat aber trotzdem ohne Pestizide gearbeitet. Die Menschen im Ort fanden es gut bei uns einzukaufen, sie wüssten dann wo es herkommt und das mit dem Lebensmitteln kein Unfug getrieben worden sei. Ganz abgesehen davon dass das Gemüse ohne Transportweg durch die halbe Welt viel frischer Zuhause ankäme. Ich hatte den Eindruck das regionale Modell der Nahrungsmittelerzeugung ginge auf und fragte mich wieso es nicht mehr solcher Betriebe gibt.

Die konventionelle Landwirtschaft

Die übliche Art heutzutage Lebensmittel zu produzieren kann man in etwa wie folgt herunterbrechen:

Ein Bauer unterhält einen Hof. Er finanziert Saatgut, eventuell Mitarbeiter, Werkzeuge und Pacht. Er weiß dass er möglichst viel produzieren muss um möglichst viel verkaufen zu können um seine Finanzierungen wieder hereinwirtschaften zu können. Also bringt er Pestizide, Funghizide und Insektizide auf seine Felder aus, um möglichst wenig Verlust bei der Ernte verzeichnen zu müssen. Als diese dann endlich anfällt die Katastrophe. Die Hälfte der Gurken sind krumm, die nimmt ihm kein Großhandel ab, da man sie nicht gut in genormten Kisten stapeln kann. Die Salate sind wegen des ausgelaugten Bodens klein geblieben, damit kann er sich nicht gegen die Marktkonkurrenz durchsetzen. Er hat so viele Gifte in die Umwelt ausgebracht um ihr möglichst viel Ertrag abgewinnen zu können, und kann nun einen Großteil davon nicht verkaufen. Das bedeutet keine ausreichende Refinanzierung seiner Ausgaben. Er ist darüberhinaus durch Verträge mit Großhändlern an bestimmte Gemüsesorten gebunden, kann also eine sinnvolle Fruchtfolge nicht wirtschaftlich einhalten. Das führt im nächsten Jahr zu noch mehr Auslaugung des Bodens und noch mehr Pestizideinsatz um trotzdem noch irgendwie produzieren zu können…

Warum sind Lebensmittelerzeuger in solchen oder ähnlichen Teufelskreisen gefangen?

Schlagwörter wie Preisdumping und wütende Bauern in den Nachrichten machen deutlich das es keine gute Idee ist die Nahrungmittelproduktion den Gegebenheiten des freien Marktes zu unterwerfen, und Subventionen können nur bis zu einem bestimmten Punkt sinnvoll helfen. Bauern bräuchten sichere Abnehmer (die ja in Form hungriger Leute eigentlich zur Genüge vorhanden wären), und Preise die sich nicht am (Spekulations-)Markt orientieren, sondern am tatsächlichen Wert des Lebensmittels und der Arbeit des Bauers. In der konventionellen Wirtschaft können diese Ziele nur sehr schwer allgemeingültig erreicht werden.

Die solidarische Landwirtschaft

Die Kosten für den Betrieb eines Bauernhofs können ungefähr ausgerechnet werden. Auch die voraussichtliche Ernte kann abgeschätzt werden. Was kann daraus folgen?

Eine Gruppe Privathaushälter und eine Gruppe landwirtschaftlicher Betriebe können sich zusammenschließen. Die voraussichtlichen Kosten des nächsten Jahres werden unter allen Mitgliedern aufgeteilt und ein monatlicher Beitrag für jeden Einzelnen festgelegt. Der Arbeit der Erzeuger ist damit vorfinanziert und abgekoppelt vom Marktgeschehen. Das ermöglicht dem Bauern endlich sinnvolle Maßnahmen wie die Einhaltung einer Fruchtfolge, Verzicht auf Pestizide oder den Anbau alter, seltener oder samenfester Sorten, welche der Großhandel ihm nicht abnehmen würde. Nicht zu vergessen kann der Bauer ohne Marktdruck endlich wieder Freude und Sinn in seinem Beruf finden, da er jetzt eine wichtige Rolle in einer Gemeinschaft einnimmt anstatt austauschbarer Spielball der Wirtschaft zu sein. Eine Win-Situation.

Die Mitglieder der SoLaWi bekommen im Austausch für ihren festen Anteil an der Finanzierung einen festen Anteil der Ernte. Regional, saisonal, frischer als jede Supermarktware. Ferner ermöglicht die Gemeinschaft den Mitgliedern einen transparenten Einblick in die landwirtschaftlichen Prozesse. Eine Win-Win-Situation.

Letztlich profitiert die gesamte Region von einer SoLaWi. Die Gemeinschaft verbessert die landwirtschaftliche Vielfalt und generiert eine nachhaltige Wertschöpfung. Die Region wird im Bereich Nahrung autark. In der gegenwärtigen Wirtschaft vernachlässigte Orte können mittels SoLaWi lebenwert gemacht und ökonomisch gestärkt werden. Eine Win-Win-Win-Situation.

Fazit

Essen muss jeder Mensch. Die solidarische Landwirtschaft ist das sinnvollste Modell um dieses Grundbedürfnis zu decken. Kosten werden unter allen geteilt um sie für den Einzelnen gering zu halten. Erträge werden ebenfalls unter allen aufgeteilt; je besser also gewirtschaftet wird, desto mehr profitieren alle. Risiken wie Ernteausfälle werden durch Kooperationen der Erzeugerbetriebe in ihrer Wirkung geschwächt. Statt Konkurrenz wird Zusammenarbeit gefördert. Statt Massenware mit zweifelhafter Qualität werden hochwertige Lebensmittel produziert. Alle arbeiten an einem gemeinsamen Ziel, anstatt jeder einzeln dem internationalen Markt ausgeliefert zu sein. Wer schon mal eine Wirtschaftskrise erlebt, oder zumindest Dokumentationen darüber gesehen hat, weiß wie wichtig es ist seine Nahrung in und für die Region (und damit unabhängig vom Markt) zu produzieren.

Die solidarische Landwirtschaft funktioniert. Deswegen gründet und organisiert der Altruismus e.V. eine SoLaWi in der Region Hof in Franken. Falls ihr dort nicht wohnt, könnt ihr über datenschutzfreundliche Suchmaschinen weitere Projekte in eurer Gegend finden.

Wir halten euch über unsere Initiative auf diesem Blog in der Kategorie Vereinsgeschehen auf dem Laufenden.

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